Donnerstag, 28. März 2013

Kapitel 2- Teil 9


Es war das erste Mal seit langem dass ich wieder aktiv am Leben teilnahm. Ich beobachtete die Umgebung, meine Mitmenschen und konnte nicht glauben dass sie teilnahmelos an mir vorbei zogen. Es interessierte sie nicht was mit mir war. Warum dieses Verzweifelte, teilweise schon Verrückte in meinem Blick war. Warum ich wie gehetzt nicht wusste wohin mit mir. Warum auf meinen Armen immer noch die Spuren der Hoffnungslosigkeit zu sehen waren. Ich hasste sie, ebenso wie ich mich hasste. Jason hatte sie selbstverständlich auch bemerkt, hatte sich aber nicht dazu geäußert. Er nahm mich hin wie ich war. Ich fuhr mit einem Finger über die Narben. Ein alter Mann setzte sich auf die Bank, neben mich und klopfte mit seinem Krückstock zu einem imaginären Takt. Ob er wohl glücklich war, in seinem Alter. Er hatte es immerhin bis dahin geschafft.  Normalerweise hätte ich ein langärmliges Shirt angezogen, da ich keine Aufmerksamkeit wollte, aber es hatte fast 40 Grad. Ich versuchte meine Arme hinter meinem Rücken zu verstecken, aber es achtete sowieso niemand auf mich. Auf der anderen Seite des Parks sah ich wie im Traum Soraya und Ryan. Sie liefen nebeneinander her, schienen zu diskutieren, waren sich uneinig. Schließlich lief Soraya in die gleiche Richtung aus der sie gekommen war weg. Ich beobachtete sie, versuchte meinen Blick von Ryan abzulenken bis Soraya verschwunden war. Ryan lockte in mir immer noch ein Gefühl der Wut hervor. Ich hasste ihn.

„Nora?“, ich sah auf. „Hast du kurz Zeit?“ Ich wunderte mich schon dass sie mich angesprochen hatte, also nickte ich zögernd. Soraya stand auf und ging in ihr Zimmer. Ich beschloss ihr zu folgen. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen brach Soraya in Tränen aus. Ihr sonst so schönes Gesicht wirkte verzerrt, durch den Fluss der Tränen. Sie schluchzte: „Er ist ein Idiot.“ Ich dachte an die Szene im Park, und war unsicher was ich tun sollte. Früher hätte ich mich neben sie gehockt, sie in den Arm genommen, aber ich traute mich nicht sie zu berühren. Zu viel war passiert. „Was ist passiert?“, fragte ich stattdessen, mit einer Stimme die mir fremd war. Soraya merkte es nicht einmal. „Er hat eine andere. Sie heißt Julia, ist zwei Jahre älter als er, und ich bin ihm nichts mehr wert!“ Sie brach erneut in Tränen aus. Ich hatte gar nicht gewusst wie oberflächlich sie war. „Das ist ja schrecklich!“, sagte ich tonlos, und begann mit meinen Armbändern zu spielen. Ich hatte noch ein Freundschaftsarmband von Soraya an dem Arm. Wie lächerlich. Freundschaft, so etwas gab es nicht. Soraya nickte unter Tränen und dann brach ein Redeschwall aus ihr heraus, von dem ich nur die Hälfte verstand. Es ging darum dass er immer seltener für sie Zeit gehabt hätte, ständig telefonierte, dass sie zu hässlich für einen Freund war, und dass er sie gar nicht verdient hatte. Ich nickte wie in Trance, sagte aufmunterte Worte, beschimpfte ihn mit Soraya. Irgendwo war die alte Nora noch. Die alte Nora sprach aus mir heraus, wollte Soraya umarmen, die neue Nora verdrängen. Doch die neue Nora war ich. Und ich konnte sie nicht in die Tiefen meines Kopfes verbannen. Sie war ein zu großer Teil von mir. Ich fühlte mich nicht wie Sorayas Schwester. Sie nutzte mich aus, wann immer sie mich brauchen konnte. Als wäre ich eine Figur aus Papier oder Glas die sie einfach benutzen konnte. 

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